Zwei Wege zum Produkterfolg mit Industriedesign: Evolution vs. Revolution im Maschinenbau
Anfang Oktober 2025 auf der K-Messe in Düsseldort erlebte ich einen besonderen Moment. Zwei Kunden von mir präsentierten Maschinen und Geräte, die ich über die Jahre gestaltet hatte – das Ergebnis völlig unterschiedlicher Designstrategien. Hosokawa Alpine zeigte Komponenten von Blasfolienanlagen, die ich über zehn Jahre hinweg kontinuierlich weiterentwickelt hatte. Bei IPT standen Prüfgeräte im Mittelpunkt, die ich parallel zur Markenneuentwicklung komplett neu gestaltet hatte. Beide Projekte erfolgreich, beide zielführend, aber grundverschieden im Ansatz. Diese Erfahrung bestätigt mir: Es gibt nicht den einen richtigen Weg im Industriedesign. Entscheidend ist die passende Strategie zur jeweiligen Situation der Auftraggeber.
Strategie 1: Kontinuierliche Evolution über Jahre
Seit über zehn Jahren arbeite ich als externer Industriedesigner mit Hosokawa Alpine zusammen. Was als Einzelprojekt begann, entwickelte sich zu einer langfristigen Partnerschaft. Das Unternehmen stellt Blasfolienanlagen her – komplexe Konstrukte, bestehend aus sehr verschiedenen Komponenten. Hochleistungsextruder, Blasköpfe mit Kühlringen, Kalibrierkörbe mit Nachkühlung. Jede Komponente hat eigene technische Anforderungen, Proportionen und Besonderheiten hinsichtlich der Bedienung.

Im Gespräch mit Entwicklungsleiter Herrn Bayer wurde uns bewusst:
Wir haben über die Jahre immer wieder weitere Komponenten gestaltet. Nicht in großen Sprüngen, sondern in kleinen, gezielten Iterationen. Schritt für Schritt erweiterten wir das Designkonzept auf neue Bereiche. Mit jeder neuen Aufgabe lernten wir, und auch das ganze Team, dazu.
Die besonderen Herausforderungen der kontinuierlichen Entwicklung
Die größte Herausforderung bei der evolutionären Entwicklung liegt in der Konsistenz. Wenn man über Jahre immer wieder neue Komponenten gestaltet, muss man sicherstellen, dass alles zusammenpasst. Wie das gelingt? Das Designkonzept muss flexibel genug sein, um sich an neue Anforderungen anzupassen, aber klar genug, um wiedererkennbar zu bleiben.
Eine besondere Knackpunkt war die Skalierbarkeit des Extruder-Designs. Diese Geräte gibt es in sehr unterschiedlichen Größen und Proportionen. Ich entwickelte eine Gestaltung, die sich an verschiedene Dimensionen anpassen lässt, ohne ihre charakteristische Formsprache zu verlieren. Das gelang durch ein modulares Designsystem mit wiederkehrenden und starken Elementen.
Der kontinuierliche Ansatz erfordert außerdem Geduld von allen Beteiligten. Ergebnisse zeigen sich nicht sofort, sondern entwickeln sich über die Zeit. Auch muss man bereit sein, frühere Entscheidungen zu hinterfragen und gegebenenfalls anzupassen, wenn neue Erkenntnisse entstehen.
Unser Arbeitsprozess entwickelte sich zu einem bewährten Vorgehen: Ich entwickle Designvorschläge, die Konstruktion gibt technisches Feedback. In kleinen Iterationsschleifen arbeiten wir uns zur optimalen Lösung vor. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Der heutige Kalibrierkorb ist deutlich leichter und materialsparender. Die Bedienfreundlichkeit aller Komponenten hat sich spürbar verbessert.
Strategie 2: Parallele Revolution – alles aus einem Guss
Bei IPT bot sich eine seltene strategische Chance. Das Unternehmen entwickelt Prüfgeräte für die Kunststoffindustrie und wollte sowohl Markenidentität als auch Produktdesign komplett neu aufstellen. Die Augsburger Branding-Agentur Wunderwald übernahm die Markenentwicklung, ich durfte parallel dazu das Industriedesign gestalten.

IPT stellt völlig unterschiedliche Geräte her. Von der kompakten Prüfstabfräse als Tischgerät bis zu mehrere Meter hohen Prüfbehältern für Zeitstand-Innendruckversuche. Verschiedene Dimensionen, unterschiedliche Funktionen. Trotzdem sollte eine einheitliche Designlinie entstehen, die auch das neue AIRLESS Advanced aufnimmt. Ein Prüfgerät, das bei IPT eine besonders lange Tradition hat und daher zusätzlich im Fokus steht.
Die besonderen Herausforderungen der parallelen Entwicklung
Die simultane Entwicklung von Marke und Produktdesign bringt einzigartige Herausforderungen mit sich. Man muss von Anfang an das große Ganze im Blick behalten. Jede Designentscheidung wirkt sich sowohl auf einzelne Produkte als auch auf die gesamte Markenwahrnehmung aus. Es gibt keine Möglichkeit der schrittweisen Anpassung – alles muss beim ersten Anlauf stimmen.
Komplex war die Koordination mit der Branding-Agentur. Die Zusammenarbeit verlief absolut glatt. Doch wir mussten sicherstellen, dass Markenidentität und Produktdesign perfekt harmonieren. Das erforderte intensive Abstimmung in kurzen Zyklen. Farbkonzepte, Logo-Integration, Formsprache – alles musste parallel entwickelt und aufeinander abgestimmt werden.
Eine weitere Herausforderung lag in der extremen Bandbreite der Produkttypen. Bei den großen Prüfbehältern galt es, sogar die optimale Blechausnutzung mitzudenken, während bei der kompakten Fräse ganz andere Prioritäten galten. Trotzdem sollten alle Geräte als Familie erkennbar sein. Das gelang durch ein durchgängiges System aus Farben, Proportionen und wiederkehrenden Designelementen.
Gemeinsam mit Wunderwald entwickelte ich ein durchgängiges Farbkonzept. Warmes Hellgrau für große Verkleidungsflächen, dunkles Warmgrau für Sockel und zentrale Elemente. Das orangene Brandelement zitiert den “I-Punkt” aus dem neuen Firmenlogo und zieht sich als vertikaler Streifen durch alle Gerätetypen. Die Formsprache ist bewusst clean und glattflächig gehalten.
Wann welche Strategie wählen?
Die Wahl zwischen evolutionärer und revolutionärer Designstrategie hängt von verschiedenen Faktoren ab. Kontinuierliche Entwicklung eignet sich besonders, wenn bereits eine etablierte Produktlinie existiert, die schrittweise verbessert werden soll. Sie ist zudem ideal bei begrenzten Budgets, da Investitionen über Jahre verteilt werden können.
Die parallele Neuentwicklung ist hingegen die richtige Wahl bei grundlegenden Markenveränderungen oder wenn das bestehende Design von gleich mehreren Produkten nicht mehr zeitgemäß ist. Sie eignet sich für Unternehmen, die bereit sind, größere Investitionen zu tätigen, um schnell eine neue Marktposition zu erreichen.
Als externer Industriedesigner bringe ich in beide Strategien spezifische Vorteile mit. Bei der kontinuierlichen Entwicklung sorge ich für den roten Faden über die Jahre hinweg. Bei der parallelen Entwicklung fungiere ich als Brücke zwischen verschiedenen Disziplinen und bringe frische Perspektiven ein.
Fazit: Beide Wege führen zum Ziel
Meine Erfahrungen bestätigen: Es gibt nicht die eine richtige Designstrategie. Sowohl kontinuierliche Evolution als auch parallele Revolution können zu hervorragenden Ergebnissen führen. Entscheidend ist die Wahl der passenden Strategie zur jeweiligen Situation.
Konkrete Handlungsempfehlungen:
- Analysieren Sie Ihre Ausgangslage ehrlich: Wie zeitgemäß ist Ihr aktuelles Design?
- Bewerten Sie Ihre Ressourcen realistisch: Budget für Komplettentwicklung oder schrittweises Vorgehen?
- Berücksichtigen Sie Ihre Marktposition: Schneller Imagewandel oder kontinuierliche Verbesserung?
- Planen Sie professionelle Unterstützung ein: Beide Strategien profitieren von externer Expertise.
- Dokumentieren Sie Ihre Entscheidungen: Halten Sie Designentscheidungen und deren Begründung fest, damit sich die eingeschlagene Linie über lange Zeit festigen kann.
Die Erfahrung zeigt: Mit der richtigen Strategie und professioneller Umsetzung führen beide Wege zu Designerfolg. Die Kunst liegt darin, den passenden Ansatz für Ihre spezifische Situation zu wählen.


